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DOI: 10.1055/a-2560-8739
Improvisieren – Makel oder Lösung?
Das legendäre Köln Concert des Pianisten Keith Jarrett feiert in diesem Jahr sein 50. Jubiläum. Der Live-Mitschnitt dieses Konzerts ist das meistverkaufte Klavier-Solo-Album weltweit. Das allein macht es schon zu etwas sehr Besonderem. Doch das eigentlich Erstaunliche und Inspirierende daran ist, dass die Musik gänzlich improvisiert ist. Und nicht nur das: Der ganze Ablauf beruht auf der Fähigkeit, konstruktiv mit Unvorhergesehenem umzugehen, eben Improvisation. Denn es ging schon damit los, dass der Konzertflügel, auf dem Jarrett spielen sollte, nicht auffindbar war. Und so musste er auf einem Probeflügel spielen. Zunächst weigerte er sich, doch der Charme der Konzertveranstalterin stimmte ihn schlussendlich um. Heraus kam ein historisches Stück Musik. Ohne die Offenheit zur Improvisation wäre all das nicht möglich gewesen. Improvisation kann als „kontrollierter Kontrollverlust“ verstanden werden, wie schon Georg Bertram 2023 in seinem Reclam-Heft „Improvisieren! Lob der Ungewissheit“ schrieb. Anders ausgedrückt: Es ist das Sich-Einlassen auf die Situation, um dann, situativ geeignet, zu (re-)agieren.
Doch leider wird Improvisation häufig als Notlösung oder Folge mangelnder Vorbereitung und mangelnden Wissens fehlinterpretiert – besonders in der Medizin. Der Improvisation steht die Idee der Standardisierung gegenüber. Hier dominiert der Wunsch nach Kontrolle und Vereinheitlichung des Vorgehens, unabhängig von der Situation. Das wird gerne als Qualitätssicherung bezeichnet. Angemessener ist es, die Improvisation als hohe Leistung wertzuschätzen. Denn sie ermöglicht den lebendigen Kontakt zur gegebenen Situation. Ist das nicht ein wichtiger Bestandteil unseres täglichen Tuns in der Physiotherapie? Welchen Stellenwert geben Sie der Improvisation in Ihrer Arbeit?
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre im aktuellen Heft!
Martin Huber
Physiotherapeut und Themenscout
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. Juni 2025
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